Georg Jäger und Claus-Michael Ort
Systemtheoretische Medienkonzeptionen



Parsons Konzeption der Interaktionsmedien
am Beispiel des Radios


 

1. Was sind Interaktionsmedien

Medien im Sinne der alltäglichen Erfahrung sind Mittel, um im Handeln bestimmte Absichten deutlich zu machen und durchzusetzen. Der einfachste und vernünftigste Weg dazu ist, dass man seine Handlungspartner wissen lässt, was man selbst zu bieten hat und was man gerne dafür möchte. Parsons bezieht sich immer wieder auf die Medien Geld, Macht, Einfluss und moralische Verpflichtung. Nach seiner Definition sind das Mittel, um auf der einen Seite bestimmte Absichten und Wünsche deutlich zu machen und auf der anderen gleichzeitig eine Motivlage dafür zu erzeugen, dieses Handlungsangebot anzunehmen. Als einfache universelle Tauschformel lässt sich formulieren: "Biete Geld, wünsche Ware", mit der Ego seinen Partner (Alter) informieren und motivieren will, sein Handlungsangebot anzunehmen. Informieren darüber, dass er die Handelssituation unter dem Aspekt von beidseitigem Tausch und Nutzen betrachtet und motivieren, das Angebot anzunehmen und somit in den Genuss des versprochenen Vorteils zu kommen.

Grundidee der Medien:

Sie dienen der Mitteilung dessen, was man möchte, und gleichzeitig der Motivierung des Handlungspartners zu dem gewünschten komplementären Verhalten.

Welche Rolle spielt die Sprache dabei?

Umgangssprache alleine reicht nicht ganz aus. Medien sind eine besondere Sprache, deren Formen und Inhalte mit besonderen Institutionen abgesichert sind. Sinn und Zweck ist, den Medien größere Sicherheit und bestimmte Garantien zu geben (Beispiel: Das Angebot von Geld für ein Gut ist sicherer, als das Versprechen, den Gegenwert des zu tauschenden Gutes durch ein anderes Gut aufzuwiegen). Alle Medien operieren in einem vorausgesetzten Horizont, auf den sie in kurzen Formeln und Symbolen ihre Selektion projizieren. Sprache alleine ist aber zu unsicher. (Man kann viel Reden wenn der Tag lang ist, und außerdem kann Sprache benutzt werden, um zu lügen oder bewusst Irrtümer herbeizuführen). Medien machen das Kommunikationsmittel Sprache durch ein kompliziertes Regulierungssystem erst verlässlich. Durch die Medien sollen Schwierigkeiten, die eine nur verbal geführte Interaktion mit sich bringt, überwunden werden, indem sie in tragende Strukturen (Rechtssystem, Herrschaftssystem, Wirtschaftsordnung etc.) eingebettet wird. So wird die Möglichkeit offeriert, nur mit Symbolen zu arbeiten und trotzdem gegen List und Täuschung abgesichert zu sein.

Medien sind darüberhinaus Selektionsmechanismen. Wer spricht, um mit einem Partner zu kommunizuieren, wählt aus einem Pool an möglichen Äußerungen, Tatbeständen und Formulierungen aus und bietet sie dem Kommunikationspartner an. Medien verschärfen diese Selektion und engen sie auf die vorbestimmten Strukturen ein. Dadurch sind Medien in der Lage, die Selektion beim Aufbau von Interaktion zu steuern.


2. Medien
als Steuerungsmechanismen der Interaktion
am Beispiel Radio

Vergleich zwischen Medien und einem Informationssystem: Radio stellt in diesem Vergleich eine allgemeine Ressource dar, die dem Transport von Programm(Unterhaltung und Information) dient. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Ressource werden von unterschiedlichen Faktoren bestimmt. Das sind zum einen die technischen Voraussetzungen (Sendeanlagen auf der einen, Empfangsgeräte auf der anderen Seite), zum anderen gesetzliche Bestimmungen (Regulierungssystem in Bayern: Bayrische Landeszentrale für neue Medien). Radio soll hier die Kapazität darstellen, die in der Medientheorie sonst von Einheiten wie Geld, Macht, Einfluss etc. eingenommen wird, und die technischen Voraussetzungen sowie die gesetzlichen Regelungen stellen die "Hintergrundstruktur" dar, die den Einsatz der Medien regelt. So wie man sich zur Unterhaltung oder zur Informationsgewinnung des Radios bedient, bedient man sich in anderen Zusammenhängen noch stärker generalisierter "Mittel".

Medien müssen in irgendeiner Weise "partialisiert", d.h. in gewissen Größeneinheiten auf die Handelnden aufgeteilt sein, wobei aber zugleich diese Aufteilung "flach" und weitläufig ist, sodass kein einzelner durch seinen Einsatz gesellschaftlich bedeutsame Effekte auslösen kann – mit zwei Ausnahmen:

  • massenhaft gleichartige Bewegungen, die sowohl organisiert sein als auch durch spontane Ereignisse zustande kommen können;
  • Kumulierung von Ressourcen an gewissen Punkten privilegierter Positionen auf privater oder staatlicher Ebene.


3. "AGIL" System für das Beispiel Radio



Quelle: von Heydebrandt, Renate; Pfau, Dieter und Schönert Jörg: Zur theoretischen Grundlegung einer Sozialgeschichte der Literatur. Ein struktural-fiktionaler Entwurf. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1988.

Das Medium Radio ließe sich an den Stufen I 1 ("gesellschaftliche Gemeinschaft") oder L 1 ("sozial-kulturelles System") ansiedeln, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, dass es überhaupt Radio geben kann (in Bayern: Bayrische Landesanstalt für neue Medien), bei G1 ansiedeln.


Literaturangaben

  • Talcott Parsons. Zur Theorie der sozialen Interaktionsmedien. Hg. von Stefan Jensen (Studienbücher zur Sozialwissenschaft; 39) Opladen: Westdeutscher Verlag 1980.
  • Bayrische Landeszentrale für neue Medien




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